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Die „Sternkammer“ ist ein historisches Kleinplanetarium in Lübeck mit einer Projektions-Kuppel mit vier Meter Durchmesser. Es verfügt über ein in Lübeck entwickeltes „Lehrmittel zur Darstellung des Sternenhimmels“ (Zitat aus der Patentschrift) und wurde 2021 –im 90igsten Jahr des Bestehens– um ein digitales Projektionssystem ergänzt. Es ist –nach derzeitigem Kenntnisstand– das älteste Schulplanetarium der Welt.
In diesem Beitrag blicken wir auf die faszinierende Geschichte dieser jüngst wiederentdeckten Einrichtung sowie die sich nach ihrer Modernisierung ergebenden Möglichkeiten als Fulldome Planetarium bis hin zu interaktiven Gaming-Engines mit VR Controllern.
1931 wurde die heutige Grund- und Gemeinschaftsschule St. Jürgen unter dem Namen „Klosterhofschule“ eingeweiht. Sie war eine programmatisch und architektonisch moderne Reformschule, die neue pädagogische Wege einschlug. Die naturwissenschaftlichen Fächer und handwerkliches Arbeiten standen besonders im Fokus.
Für damalig ungewöhnliche Verhältnisse wurden besondere Unterrichtsräume als Teil des innovativen didaktischen Ansatzes mitkonzipiert: So wurden mit der Eröffnung naturwissenschaftliche Fachlabore, ein Fotolabor sowie ein Schulplanetarium mitgeplant und realisiert.
Mit dem Bau wurden das Schulplanetarium und die Möglichkeit zur Sternenbeobachtung geschaffen. Baulich, indem die Sternkammer und eine Beobachtungsplattform mit einer eigens konstruierten Armillarsphäre errichtet wurden. Inhaltlich, indem beide Einrichtungen in den Unterricht integriert wurden. Im Wesentlichen sieht die Sternkammer heute noch so aus wie 1931, inklusive der Hocker.
Die Erfindung „Projektionsplanetarium“ war bei Eröffnung der Schule erst wenige Jahre alt: Die Firma Zeiss hatte ihren ersten Sternenprojektor 1923 als „Wunder von Jena“ auf dem Zeiss-Werksgelände und 1925 als Installation im Deutschen Museum in München der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Zeiss-Erfindung war aber für Großplanetarien konzipiert und damit zu groß für ein kleines Schulplanetarium. Darüber hinaus war diese neue technische Apparatur für eine Lübecker Schule nicht erschwinglich.
Daraufhin entwarf ein Trio bestehend aus dem damaligen Mathematik- und Physiklehrer der Klosterhofschule, Dr. Hans Cassebaum, zusammen mit dem Lübecker Elektriker Ernst Nachtigall sowie dem Lübecker Schulrat und Reform-Pädagogen Sebald Schwarz ein eigenes, technisch reduziertes Klein-Planetariumssystem. Dieses wurde in der Folge sogar an einigen anderen Standorten in Deutschland und Europa als Folge-Auftrag installiert. 1933 wurde dafür ein Patent vom Deutschen Reichspatentamt in München bestätigt, woraufhin weltweit über diese besondere Einrichtung berichtet wurde.
2018 wurde durch eine glückliche Verkettung von Zufällen die Sternkammer aus fachlicher Sicht ganz neu entdeckt: In der internationalen Gemeinschaft der Planetarien war sie als eigenständige Planetariumserfindung bis dato unbekannt.
Auf historische Recherchen folgte eine Modernisierung, im Rahmen derer eine weltweit einmalige Wechselmechanik entworfen und realisiert wurde, mit der zwischen historischem und neuem digitalen Projektionssystem flexibel buchstäblich hin- und hergeschwenkt werden kann.
Mit der Ergänzung werden ganz neue thematischen Schwerpunkte sowie technische Zuspielungen ermöglicht.
Das neue System deckt ein großes Spektrum ab, von der Wiedergabe von sog. „Fulldome-Video“-Inhalten („Planetariumsfilmen“), über Live-Umrechnung und Wiedergabe von 360°-Filmen (die ursprünglich z. b. für virtuelle Touren oder VR-Headsets produziert wurden), bis hin zum Einspielen von NDI-Streams (in allen möglichen Projektionsgeometrien), Videosignalen via CaptureCard-In oder interaktiver Nutzung von Gaming-Engines mit VR-Controllern bis hin zur Wiedergabe von Astronomie-Software-Paketen wie Stellarium, Gaia Sky, OpenSpace, World Wide Telescope u. Ä.
Eine besondere Nutzung erfährt die Sternkammer als Präsentationsraum für die vom Team der Sternwarte Lübeck aufgenommenen Astrofotografien und -Daten.
Aus der Sternkammer ist damit sowohl ein modernes Planetarium als auch ganzheitliche Visualisierungskammer für alle Fachrichtungen, von den naturwissenschaftlichen und Sachkundefächern über Kunst, Musik, Informatik und die Astronomie bis hin zu sonstigen Wissenschaftsdaten-Visualisierungen und künstlerisch-explorativen Darstellungsformen hinaus.