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S107: Vorwärts nach klein: Mikroben in Bibliotheken zur Sprache bringen

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S107: Vorwärts nach klein: Mikroben in Bibliotheken zur Sprache bringen
Bibliothekartag 2020

Session: Facetten der Bestandserhaltung (S107)

Mikroben in Bibliotheken scheinen stets Hygiene und Arbeitsschutz zu adressieren. Der Forschungsstand spiegelt eine Konfliktlinie der frühen Mikrobiologie: ob Krankheitssymptome (der Bibliothekare) durch ein Contagium verursacht sind oder durch ein hippokratisches Miasma: eine ‚Ausdünstung' der Bibliothek. Wie auch immer: Die Mikrobe muss vernichtet werden. Der Vortrag zeigt eine radikal andere Perspektive: den eigenen Zeichencharakter der Mikrobe, der als Forschungsinstrument für Bibliotheken genutzt werden kann. Vorgestellt wird das BMBF-Projekt „Kontamination und Lesbarkeit der Welt: Mikroben in Sammlungen zur Sprache bringen“ (MIKROBIB). In diesem arbeiten die UB Leipzig, das Seminar für Philosophie der TU Braunschweig und die DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH zusammen.
Wir fragen, ob die Mikrobe Innovationspotenzial hat; etwa, dass mit ihr der ‚Lebensweg' eines Buches durch verschiedene Hände und Institutionen klar wird. Von der DSMZ werden mikrobiologische Analysen an spätmittelalterlichen Sammelbänden im Bestand der UB Leipzig vorgenommen und die Ergebnisse mit denen der Buchbiographie verglichen. Philosophisch beziehen wir uns auf die Lesbarkeit der Welt (H. Blumenberg), für die das „Buch der Natur“ und „die Bibliothek“ als Weltwissen stehen. Aber mit den Biotechniken sind wir in eine neue Lese-Phase eingetreten, insofern der Text im Buch der Natur durch die Organismen scheinbar selbst codiert und ‚lesbar' wird.
Demnach könnte die DNA-Sequenzierung von Buch- und ‚Bibliotheks-Mikroben' zeigen, in welchen Milieus sich ein Buch einst befand. Mikroben würden dann z.B. von Raub, Überschwemmungen und Evakuierungen von Bibliotheksbeständen erzählen helfen. Während die Beprobungsphase läuft, wird Theoriearbeit geleistet. Denn für die Interpretation der Ergebnisse ist wichtig, wie Bibliotheken selbst die Mikrobe fassen: als Stoff, lebendes Ding, Prozess oder Phänomen?

Nicole Karafyllis1
1TU Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

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Speakers: Nicole Karafyllis