Session:
Provenienzen – Merkmale – historische Bestände (S83)„Zu wenig Zeit, kein Geld, null Personal“, „keine juristische Expertise, alles zu kompliziert“, „das gibt nur schlechte Presse“. Solche und ähnliche Sätze hört man als Begründungen, warum eine Einrichtung keine Recherchen nach NS-Raubgut durchführt. Um diesen Bedenken etwas entgegenzusetzen, wollen wir den Blick gezielt auf die Vorteile von Provenienzforschung lenken.
Natürlich ist es mühsam, solche Rechercheprojekte anzuschieben: eine systematische Suche nach NS-Raubgut in den Beständen ist allein mit hauseigenen Ressourcen nicht zu leisten, die Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ist mit hohen Hürden verbunden. Warum also „lohnt“ es sich trotzdem für Bibliotheken? Unsere Gedanken dazu sollen anhand von Beispielen aus der Hamburger Praxis vorgestellt werden. Durch Provenienzforschung kann man: Verantwortung übernehmen und Stellung beziehen, angesichts der NS-Verbrechen zumindest in einem kleinen Bereich wieder eine Brücke schlagen zu den Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus, nicht nur die Herkunft des geraubten Objekts erforschen, sondern auch die Biografien seiner rechtmäßigen Eigentümer, öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen als selbstkritischer gesellschaftlicher Akteur im Bereich der Erinnerungskultur, die jüngere Geschichte der eigenen Institution aufarbeiten und transparent machen, tatkräftig beitragen zum wachsenden kollektiven Wissen über NS-Raubgut, sich von einer Last befreien, die Objekte mit ungeklärter Provenienz und einem Verdacht auf NS-Raubgut bedeuten.
Im Übrigen sind diese positiven Effekte völlig unabhängig vom materiellen Wert des geraubten und restituierten Objekts. Gerade weil Bücher oft persönliche Spuren ihrer Eigentümer tragen, kann mitunter die Entdeckung und Restitution eines einzelnen Bändchens eine große Bedeutung für den Empfänger haben: Erinnerungen sind unbezahlbar.
Anneke de Rudder1, Ulrike Preuß
11Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Arbeitsstelle Provenienzforschung - NS-Raubgut, Hamburg, Deutschland
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