Abstract Text: Gesellschaftliche Polarisierungen, gefühlte und reale Unsicherheiten, menschenverachtende Hetze, der zunehmende Verlust einer geteilten Wirklichkeit (post-truth world) sowie schwindendes Vertrauen in demokratische Institutionen haben den Ruf nach politischer Bildung in den letzten Jahren wieder lauter werden lassen. Verschreiben sich Bibliotheken neben der Bereitstellung von Information und des Zugangs zu Wissen nun explizit auch der Demokratiebildung, ist dies durchaus begrüßenswert. Auf den ersten Blick scheinen Bibliotheken ohnehin prädestiniert dafür zu sein, insofern eine Verbindung von Wissen, Demokratie und politischer Teilhabe gegeben ist. Als niedrigschwellig zugängliche Einrichtungen können Bibliotheken zudem unterschiedliche Bevölkerungsgruppen erreichen, von denen einige sonst nur schwierig Zugang zu Angeboten der nonformalen Bildung finden. Aber das Engagement von Bibliotheken, eigene Meinungsbildung und politisch-gesellschaftliche Teilhabe durch entsprechende Bildungsangebote zu fördern, ist nicht voraussetzungslos. Dies gilt nicht nur in Bezug auf eigene personelle und infrastrukturelle Möglichkeiten, sondern auch bezogen auf das Verständnis von Begriffen und Konzepten, die in der politischen Bildung eine zentrale Rolle spielen: Mündigkeit, Urteilskraft, Teilhabe, politisches und soziales Lernen. Das Reflektieren über diese Aspekte ist ein notwendiger Schritt, wenn erstens die eigene gesellschaftspolitische Funktion nicht nur betont, sondern auch umgesetzt werden soll und zweitens Bibliotheken als ernstzunehmende Partnerinnen wahrgenommen werden wollen, die mit Kooperationsfähigkeit und langfristigen Angeboten selbst entsprechende Bildungsprozesse anregen können. Im Vortrag werde ich auf der Grundlage von im Rahmen meiner Masterarbeit geführten Experteninterviews mit deutschen und amerikanischen Kolleg:innen die Frage diskutieren, inwiefern Bibliotheken politische Themen niedrigschwellig vermitteln und zur politischen Teilhabe ermutigen können.