Abstract Text: Zugänglichkeit und Auffindbarkeit von Forschungsergebnissen stehen – auch vor dem Hintergrund förderpolitischer Vorgaben – im Zentrum von Open Access-Strategien, Digitalisierungsprojekten und Forschungsdatenarchivierung. Während der forschungspraktische Nutzen frei zugänglicher Ressourcen auf der Hand liegt und ‚Offenheit‘ häufig als schlichte Verbesserung verstanden wird, werden Risiken, ethische Fragen und Vorbehalte gegen eine umfassende Bereitstellung von Daten und Publikationen eher wenig thematisiert.
Die ethnologischen Fächer sind ein Beispiel dafür, dass die Bedingungen von ‚Offenheit‘ fortlaufend reflektiert und verhandelt werden müssen. Das gilt für die Archivierung aktueller, meist personenbezogener sensibler Forschungsdaten genauso wie für die Digitalisierung historischer Materialien aus Bibliotheken, Archiven und Sammlungen. Letztere sind oft unter problematischen politischen Bedingungen – wie etwa dem Kolonialismus – entstanden und von kulturellen Paradigmen geprägt, die nicht mehr akzeptabel sind. Neben der Berücksichtigung rechtlicher Aspekte fordern Fragen der Zugänglichkeit Infrastruktureinrichtungen deshalb dazu auf, eine eigene ethische Verantwortung wahrzunehmen – in Kooperation mit Forschenden und möglichst im Austausch mit den Akteuren in den Forschungsfeldern bzw. den Nachkommen von in Archiven und Sammlungen repräsentierten Gesellschaften. Entstehungskontexte sollen erhalten bleiben, Anonymisierung ist notwendig, nicht alles kann ‚frei im Netz‘ sein.
Der Vortrag beschäftigt sich mit den Grenzen von ‚Offenheit‘. Beispiele aus den Bereichen OA-Transformation, Retrodigitalisierung und Forschungsdatenarchivierung zeigen, dass ‚Offenheit’ ein heterogenes Konzept ist, das nicht ohne Reflexion und Innehalten auskommt. Er versteht sich in diesem Sinn als Beitrag zu einer Diskussion in den Infrastruktureinrichtungen, Open Science-Strategien auch in Hinblick auf ihre ethischen Implikationen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu justieren.