Abstract Text: Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit meist dem namhaften Kunstwerk gehört, so findet die breite Forschung zur Provenienz von Objekten in den Bibliotheken statt. Denn viele zu untersuchende BĂŒcher heiĂt im Umkehrschluss auch, viel Forschung zu enteigneten Personen, deren Nachkommen und den dazugehörigen Kontexten. Doch welche Ergebnisse und Erkenntnisse kann eine Bibliothek aus der Arbeit der Provenienzforschung zusĂ€tzlich gewinnen?
In der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) finden seit 2002 Forschungen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut statt. Im Zuge dieser Arbeiten konnten schon zahlreiche Objekte ihren ursprĂŒnglichen Besitzern und Besitzerinnen zurĂŒckgegeben werden. Seit 2021 verfolgt die ZLB einen weiteren Ansatz zur Aufarbeitung der Herkunft von verdĂ€chtigen Objekten in ihren BestĂ€nden: Auf der Grundlagen einer breit aufgestellten Archivrecherche zu Unterlagen und Akten der ZLB zwischen 1933 und 1945 soll in Erfahrung gebracht werden, ĂŒber welche Wege enteignete BĂŒche in den Besitz der Bibliothek kamen und welche Verteilsysteme damit verbunden waren. Am Ende werden die zu untersuchenden BestĂ€nde strukturiert und priorisiert werden, um Provenienzforschung möglichst effizient durchfĂŒhren zu können.
Das Ziel der Arbeit kommt einem kleinen Paradigmenwechsel gleich: Anstatt einzelne BĂŒcher bei der Arbeit im aktuellen Bestand herauszuarbeiten und dann in die Forschung einzusteigen, soll nun im Vorfeld eruiert werden, welche Entzugsgeschichten in enger Verbindung mit der Bibliothek stehen, um anschlieĂend gezielt danach zu suchen. Zudem lassen sich mit den erarbeiteten Informationen beispielsweise die ZugangsbĂŒcher, respektive deren EintrĂ€ge besser analysieren und kontextualisieren.
Doch neben der eigentlichen Arbeit zu Aufarbeitung von NS-Raubgut im eigenen Bestand lĂ€sst sich ein enormer Mehrwert fĂŒr die Institution generieren: Es ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bibliothek und der Geschichte der BestĂ€nde selbst.